Mefistofele in Karlsruhe, 29.5.2004

Von:  Opernforum - Alles zum Thema Oper Atto II: Staatsopernchor
Datum:  So 30, Mai 2004  14:41
Betreff:  Mefistofele in Karlsruhe, 29.5.2004

    Gestern hatte im Badischen Staatstheater Karlsruhe Arrigo Boitos "Mefistofele" Premiere. Es ist mir unbegreiflich, warum dieses packende, spannende Werk nicht öfter aufgeführt wird. Es gehört meiner Meinung nach zu den stärksten Opern des Verismo, nicht nur die bekannte Arie "L'altra notte" ist ein absolutes Highlight in der Operngeschichte, sondern unter Anderem auch Margheritas Sterbeszene oder die großen Chorszenen (vor allem der unglaubliche Hexensabbat). Ich war gestern jedenfalls begeistert, vor allem weil bei der Umsetzung in Karlsruhe fast alles gestimmt hat. Die Inszenierung von Alexander Schulin verlegt die Handlung in den Beginn des 20. Jahrhunderts.

    Mefistofele entspringt bei Schulin aus Faust, er ist also ein Teil von Faust, sozusagen Fausts "böse Seite". Der Hexensabbat am Ende vom 2. Akt wird als eine wilde, fast orgienhafte Feier der "High Society" inszeniert, was Schulin hier an Energie und Spielfreude aus dem Chor (Einstudierung: Carl Robert Helg) herausgeholt hat, erlebt man selten. Als Bühnenbild (CHRISTOPH SEHL) dienen 2 überdimensional große Bücherregale, die mit Hilfe der Drehbühne in alle möglichen Positionen verschoben werden. Es spielt sich also alles in Fausts Studierzimmer ab und die Handlung somit in Fausts Phantasie. Auch die Personenführung ist außergewöhnlich gut gelungen. Alle Sänger wissen in jedem Augenblick, was zu tun ist, in keinem Moment kommt Langeweile auf.            

    Erstaunlich ist, was Schulin aus dem als darstellerisch intensiv bekannten KONSTANTIN GORNY (Mefistofele) herausgeholt hat. Er IST einfach Mefistofele, stellt diesen Charakter auf geniale und vollkommen überzeugende Art und Weise dar. Auch stimmlich überzeugt er mit dunklem, manchmal etwas rauhen Bass. Neben einem solchen Mefistofele hat es der Faust von MAURO NICOLETTI schwer, zu bestehen. Darstellerisch kann er zwar auch überzeugen, kommt aber an die furiose Beweglichkeit und Mimik von Gorny nicht heran. Stimmlich sang er solide, teilweise mit Problemen in der Höhe und allzu schmaler Stimme. Auch BARBARA DOBRZANSKA (Margherita/Elena) ist eine Sängerdarstellerin ersten Ranges, wie bei ihr Stimme und Emotion eins werden, ist einfach unglaublich. Ihre Sterbeszene war erschütternd und tief berührend. Stimmlich hat sie sich nochmal weiterentwickelt, vor allem in der Tiefe hat sie dazugewonnen, in der Höhe wunderbar aufblühend wie immer. Sie überstrahlt auch die lautesten Orchesterwogen mühelos. SABRINA KÖGEL, KS. HANS-JÖRG WEINSCHENK und DORU CAPREAGA sangen Marta/Pantalis, Wagner und Nerèo solide und rollendeckend.

    Bei UWE SANDNER war die Oper in sicherer Hand, die Koordination Bühne/Orchester stimmte und die Badische Staatskapelle spielte fehlerlos. Insgesamt also ein Opernabend, wie man ihn sich wünscht – eine interessante, inspirierende Inszenierung, die ohne übertriebene Provokationen auskommt und in der sich die Sänger voll entfalten können, insgesamt eine ausgewogene Besetzung mit herausragenden Einzelleistungen (Gorny, Dobrzanska) und eine spannendes Werk, das leider viel zu selten zu sehen ist.

Tim  

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