WER VERFUHRT HIER EIGENTLICH WEN?

Karlsruhe: Robert Tannenbaum inszeniert Mozarts „Don Giovanni" am Badischen Staatstheater




VON UNSEREM MITARBEITER GABOR HALASZ , Die Rheinpfalz 09.07.2007

 ► Eine gediegene, tendenziell traditionsbewusste Auseinandersetzung mit einem abendländischen Kulturdenkmal zum Ausklang der Spielzeit in Karlsruhe. Bei, der „Don Giovanni" - Neuproduktion zeigte Jochem Hochstenbach kein Interesse an der zurzeit bevorzugten historisierenden Aufruhrungspraxis und dirigierte einen sinfonischen Mozart im Einklang mit dem Stilkanon des frühen und mittleren 20. Jahrhunderts. Auch behandelte Regisseur Robert Tannenbaum seine Vorlage relativ behutsam und setzte Verfremdungen und ironische Brechungen eher sparsam ein. Eindeutig positive Eindrücke beim Solistenensemble.

    Gleich bei den ersten Tönen der Ouvertüre befindet sich der Zuschauer mitten im Drama. Der Blick ist frei auf die weitflächige, von Peter Werner karg eingerichtete Szene. Deren Einrichtung bleibt im Wesentlichen auf hohe, fahrbare graue Wände beschränkt, die die Drehbühne (fast) ständig in Bewegung hält. An ihnen stehen in endloser Reihe die Vornamen der vom Titelhelden verführten 2065 Frauen geschrieben: ein recht aparter Einfall.

    Bald betritt Donna Anna die Bühne in Begleitung ihres Vaters und ihres Verlobten Don Ottavio. Dass dieser in der Inszenierung des Badischen Staatstheaters im Priestergewand agiert, ist zwar begreiflich aus der Charakteristik der Gestalt, aber eine Übertreibung. Auf jeden Fall wird Anna von Vater und Bräutigam jede Zärtlichkeit strengstens verboten. Im Palais des Komturs herrscht ein unerbittlich harter Sittenkodex. So braucht wenig später der zunächst in Ottavios Kostüm und Maske auftretende Don Giovanni eigentlich keinerlei verführerischen Künste anzuwenden; Anna wirft sich ihm in rasender Leidenschaft in die Arme. Giovanni bringt ihr die Befreiung von ihrer strengen katholischen Erziehung und den starren Konventionen ihrer Umgebung, lässt sie ihre Sinnlichkeit entdecken und (wenigstens für einen Moment) ausleben. Wer da wen verfuhrt, ist in dieser Szene kaum zu entscheiden.

    Das ist der Grundgedanke von Tannenbaums Regiekonzept: Don Giovannis Dämonie besteht in seinem Aufbegehren gegen jegliche Art von Ordnung, Religion, Moral, Anstand und Vernunft. Durch die Berührung mit ihm entdecken die Frauen ihre unterdrückten Wünsche und Begierden. Dieses Leitmotiv entwickelt der Regisseur konsequent, bei ausgesprochen gewandter Personenführung und mitunter attraktiven bildhaften Einstellungen, so etwa beim Spiel der sich immer wieder im Buchstabenlabyrinth der mobilen Wände verirrenden und verlierenden Akteure. Auch bietet Tannenbaum mit den Projektionen überdimensionaler Frauenköpfe eine alles in allem annehmbare Lösung für die Höllenfahrt: Don Giovanni wird hier für seinen ausschweifenden Lebenswandel bestraft. Einleuchtend dann die Rückkehr zum Alltag: die ironische Schlusspointe der spießigen Idylle des Finales mit dem Kindersegen und der schwangeren Zerlina in Masettos Haus.

    Streiten lässt sich dagegen über die vielen Handgreiflichkeiten - es geht schon ziemlich gewalttätig zu in dieser Inszenierung -, über Donna Elviras Fress- und Trunksucht, die Darstellung von Donna Annas Erzählung im ersten Akt gleichsam als Beichte vor dem knieenden Ottavio und einige Leerläufe.

    Jochem Hochstenbach stand für eine insgesamt gepflegte musikalische Wiedergabe ein. Wie eingangs angedeutet, setzte der Dirigent auf vollen, allerdings nicht immer durchsichtigen großorchestralen Klang. Und selbst wer nicht unbedingt die derzeit üblichen schnellen Zeitmaße reklamiert, musste im ersten Akt einiges zähflüssig finden. Schärfere Akzentuierungen wurden ebenfalls vermisst. Im zweiten Akt dagegen gewann der musikalische Duktus deutlich an Prägnanz und Ausdruckskraft.

    Mit seinem prachtvollen Bass war Konstantin Gorny ein Titeldarsteller von unanfechtbarer vokaler Autorität, aber ein nicht sehr differenziert singender, auch darstellerisch eher ruppiger, keineswegs eleganter Don Giovanni. Stimmlich überzeugend, doch ebenfalls etwas grobschlächtig Stefan Stolls Leporello. In jeder Beziehung erstklassig Ina Schlingensiepen (Anna), Christina Messen (Elvira) und ganz besonders Bernhard Berchtold (Ottavio). Diana Tomsches (Zerlina) Sopran wirkte ein wenig dünn und manchmal etwas scharf. Vorzüglich Ulrich Schneider (Komtur) und Mika Kares (Masetto).

 

Wer ausschweifend lebt, der muss bestraft-werden: Szene mit dem Komtur
(stehend, Ulrich Schneider) und Don Giovanni (Konstantin Gorny) aus der
Karlsruher Produktion. — FOTO: KRAUSE-BURBERG

 

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